Mit Preteens und Jugendlichen in Kontakt zu bleiben, kann für Eltern, Lehrpersonen und Begleitende eine Herausforderung sein – besonders wenn es ums Thema "Medienzeit", "digitale Welt", "Social Media", "gamen" usw. geht, das ständig neue Reize bietet. Die Erkenntnisse aus einem Vortrag von Dr. Barbara Studer und Joëlle Gut von Hirncoach.ch über das jugendliche Gehirn und die Einflüsse digitaler Medien, haben mir neue Ansätze geboten, um diese Lebensphase besser zu begleiten. Gewaltfreie Kommunikation (GFK) als Haltung und Methode kann dabei eine Schlüsselrolle spielen, um sich selbst zu stärken und im Anschluss Verbindung und Verständnis zu schaffen.

Entwicklungsaufgaben von Jugendlichen: Zwischen Kindheit und Erwachsenenalter
Jugendliche befinden sich in einer Phase des Übergangs. Sie benötigen Unterstützung, auch wenn sie nicht immer auf eine beziehungsdienliche Weise darum bitten.
Zu den Entwicklungsaufgaben dieser Lebensphase gehören:
Umgang mit Medien und Geld
Entwicklung der Geschlechtsidentität
Emotionsregulation
Suche nach neuen Reizen und Erlebnissen
Hier können Erwachsene unterstützen, indem sie realistische Erwartungen setzen und gleichzeitig Raum für Eigenverantwortung und Erkundung schaffen.
Wie Medien das jugendliche Gehirn beeinflussen
Das Gehirn von Jugendlichen ist besonders empfänglich für Reize. Der präfrontale Kortex – zuständig für Planung, Impulskontrolle und Problemlösung – entwickelt sich erst bis zum jungen Erwachsenenalter vollständig. Digitale Medien beeinflussen das jugendliche Gehirn stark: Sie stimulieren das Belohnungssystem, verändern die Wahrnehmung von Glück und können Stress sowie Schlafstörungen verursachen.“
GFK als Werkzeug für den Umgang mit Medien und Konflikten
Gewaltfreie Kommunikation bietet konkrete Ansätze, um Jugendliche in ihrer Mediennutzung und den damit verbundenen Herausforderungen empathisch zu begleiten.
Selbstfürsorge: Eine wichtige Grundlage
Die Haltung der GFK betont, dass wir nur dann mit anderen in Verbindung treten können, wenn wir auch mit uns selbst verbunden sind. Selbstfürsorge ist also essenziell, um eigene Ressourcen zu schützen und um anschliessend Jugendlichen Verständnis und Empathie geben zu können. Dies kann bedeuten, sich bewusst Pausen zu nehmen, sich mit anderen auszutauschen oder auch eigene Interessen und Hobbys zu pflegen. Indem wir gut für uns selbst sorgen, können wir präsent und empathisch auf die Bedürfnisse der Jugendlichen eingehen.
Anzeichen für problematischen Medienkonsum erkennen und ansprechen:
Problematischer Medienkonsum zeigt sich oft durch Rückzug oder Konzentration auf Bildschirme. GFK bietet Ansätze, um dies empathisch anzusprechen. Statt Vorwürfe zu machen, kann das so aussehen:
Beobachtung: „Ich habe bemerkt, dass du in den letzten Tagen direkt nach der Schule an deinem Computer warst und bis zum Abendessen gespielt hast.“
Gefühl: „Ich bin besorgt.“
Bedürfnis: „Mir ist wichtig, dass du genug Zeit für Bewegung und Erholung hast.“
Bitte: „Bist du bereit, mit mir zu überlegen, wie du deine Zeit anders einteilen kannst?“
Empathie für Gefühlsausbrüche zeigen: Stimmungsschwankungen und Unsicherheiten sind in der Pubertät normal. GFK kann helfen, diese nicht persönlich zu nehmen, sondern als Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse zu sehen:
Wenn ein Jugendlicher sagt: „Du checkst gar nichts!“, könntest du antworten: "Bist du genervt und wünschst dir, dass gehört wird, was dir wirklich wichtig ist? “
Die Haltung der Gewaltfreien Kommunikation
GFK ist mehr als eine Methode – es ist eine Haltung, die auf Wertschätzung und Verbindung basiert. Die Grundannahmen der GFK sind:
Alle Menschen haben die gleichen universellen Bedürfnisse.
Gefühle zeigen an, ob diese Bedürfnisse erfüllt sind. Somit sind alle Gefühle ok.
Konflikte entstehen nicht durch Bedürfnisse, sondern durch die Lieblings-Strategien, mit denen diese erfüllt werden sollen.
Menschen handeln in jedem Moment nach den besten ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Das gilt für meinen Teenager genauso wie für mich.
Menschen tragen gerne zum Wohlergehen anderer Menschen bei, wenn sie dies freiwillig tun können
Durch diese Haltung können Konflikte nicht nur gelöst, sondern auch tieferes Verständnis und Vertrauen geschaffen werden.
Medienkompetenz durch gemeinsame Regeln und Vorbildfunktion fördern

In meiner Erfahrung ist es wichtig, gemeinsam mit Jugendlichen Lösungen zu entwickeln, die ihre Autonomie respektieren und gleichzeitig Orientierung bieten. Vereinbarungen sind nur dann wirklich verbindend, wenn sie zusammen mit den Jugendlichen erarbeitet werden. Wenn Regeln von den Eltern oder Lehrpersonen allein definiert und durchgesetzt werden, entsteht automatisch Widerstand. Auch wenn es also länger dauert oder mühsamer ist, ist es essentiell, dass Jugendliche mit einbezogen werden, um Eigenverantwortung und Verständnis zu fördern.
💡 Einige Tipps:
Medienfreie Zonen wie Schlafbereich und Esstische fördern gemeinsame Zeit. Fragt eure Jugendlichen: ‚Wo würdest du dir wünschen, weniger Ablenkung durch das Handy zu haben?‘ oder ‚Wie könnten wir die Zeit am Esstisch anders gestalten?‘
Hausaufgaben und Handynutzung: Fragt: "Wann und wie merkst du, dass das Handy dich beim Lernen unterstützu oder ablenkt?", "Was brauchst du, damit du dich beim Lernen besser konzentrieren kannst?" Die "Arbeits-, Frei- und Müllzeit"-Strategie der Akademie für Lerncoaching bietet eine hilfreiche Struktur, um gemeinsam mit Jugendlichen einen sinnvollen Umgang mit ihrer Zeit zu entwickeln.
Gemeinsam Regeln erarbeiten, z. B. zur Bildschirmzeit. Fragt: "Wann stört dich das Handy selbst?" oder "Bei welchen Tätigkeiten hilft dir das Handy, und wann lenkt es eher ab?". Diskutiert auch, wo das Handy in der Wohnung liegen sollte, um weniger zu stören.
Interesse zeigen, indem Eltern Spiele oder Apps ausprobieren. Fragt: "Kannst du mir zeigen, was dir an dieser App so Spass macht?" oder "Wenn du sie benutzt, wie hilft sie dir oder bringt dich weiter?" Schau zu, ohne zu bewerten oder zu kommentieren. Baut Verständnis auf, bevor ihr eventuell Regeln besprecht.
Mentale Gesundheit stärken
Es ist hilfreich, Empathie für die Herausforderungen der Jugendlichen zu zeigen und ihnen authentisch, liebevoll und klar durch diese anspruchsvollen Jahre zu helfen. Neben dem Umgang mit Medien ist die Stärkung der mentalen Gesundheit essenziell. Hier sind konkrete Beispiele:
🏃♂️ Bewegung: Gemeinsam spazieren gehen, eine Runde joggen oder eine neue Sportart ausprobieren, die Spass macht.
🌳 Naturerlebnisse: Einen Ausflug in den Wald oder an einen See planen, gemeinsam zelten oder einfach im Garten die Natur geniessen.
🎨 Kreative Tätigkeiten: Zusammen malen, basteln oder ein kleines DIY-Projekt starten. Jugendliche könnten auch ermutigt werden, ein Tagebuch zu führen oder ihre Gedanken in einem kreativen Format auszudrücken.
🌟 Achtsamkeitstraining: Achtsamkeitstraining: Sich (gemeinsam) langweilen, ohne aufs Handy zu greifen, stärkt die Konzentration. Probiert einfache Atemübungen oder eine Minute bewusstes Ein- und Ausatmen.
🤝 Freundschaften fördern: Ermutigt Jugendliche, Zeit mit Freundinnen und Freunden offline zu verbringen, z. B. bei gemeinsamen Brettspielen, einem Kochabend. Kramt eure "Retro"-Aktivitäten hervor, wie Freundschaftsbänder knüpfen, Gummi-Twist, Versteckis aka "Hide and das-jugendliche-gehirn-und-digitale-medien-verstehen-begleiten-wachseSeek" oder Ähnliches. Es ist erstaunlich, worauf die Teens plötzlich abfahren, wenn sie ohne Erwartungsdruck inspiriert werden.
👩🏫 Vorleben: Kinder und Jugendliche orientieren sich stark an den Vorbildern in ihrem Umfeld. Was wir vorleben, hat mehr Gewicht als das, was wir sagen. Respektvolles Zuhören, achtsamer Umgang mit digitalen Medien oder auch das eigene Einhalten der mit den Teens definierten Regeln zeigen Jugendlichen, wie gelingende Beziehungen und ein bewusster Medienkonsum aussehen kann. Statt zu predigen, können wir durch unser Handeln inspirieren.
Fazit: Verbindung statt Kontrolle
Jugendliche brauchen Empathie und Klarheit – ebenso wie ihre Begleitenden. GFK unterstützt dabei, Konflikte zu lösen und Vertrauen zu stärken, während Selbstfürsorge hilft, präsent und geduldig zu bleiben. Offene Gespräche über Mediennutzung fördern die Reflexion über deren Vorteile und Nachteile und schaffen Raum für echtes Verständnis.
Hier findest du noch Katy Webers Eltern-Podcast-Folge zu "GFK und Umgang mit Medien".
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