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Empathie in der Gewaltfreien Kommunikation: wirklich zuhören

NBJ Coaching und Seminare

Bei "Kommunikation" denken viele ans Sprechen. Mindestens so wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, ist aber in meiner Erfahrung das Zuhören. Wie oft hören wir anderen wirklich zu? Nicht nur, um zu antworten oder eine Lösung anzubieten, sondern um zu verstehen, worum es der erzählenden Person geht? In der Gewaltfreien Kommunikation spielt Empathie eine zentrale Rolle. Doch bevor wir tiefer in die Definition von "Empathie" einsteigen, ist es hilfreich zu klären, was Empathie in der GFK nicht ist. Denn viele alltägliche Reaktionen, die empathisch erscheinen, können Verbindung eher verhindern als fördern:

  • Ratschläge geben: "Du solltest...!"

  • Trösten: "Ach, das wird schon wieder."

  • Eigene Geschichte erzählen: "Das kenne ich, mir ist mal Folgendes passiert..."

  • Analysieren oder interpretieren: "Das liegt bestimmt daran, dass du..."

  • Bagatellisieren: "So schlimm ist das doch gar nicht!"


Empathie bedeutet nicht, die Situation für den anderen zu lösen oder sie mit meinen Massstäben zu bewerten. Empathie ist auch nicht gleichzusetzen mit Sympathie. Es ist auch nicht "Mitgefühl" gemeint, und auch nicht nötig, dass ich die andere Person verstehe oder gar mit ihr einverstanden bin oder ihr zustimme. Es ist möglich, jemandem empathisch zuzuhören und komplett anderer Meinung zu sein. Wie das geht? Schauen wir uns an, was die GFK meint, wenn von "Empathie" die Sprache ist:


Was ist denn nun mit Empathie in der GFK gemeint?


Empathie in der GFK bedeutet, präsent zu sein, Raum zu geben und wirklich zuzuhören. Haltungsmässig gehe ich davon aus, dass jeder Mensch auf seinem Berg steht und von dort aus die Welt sieht und erlebt. Ich anerkenne, dass meine Perspektive, die Realität von meinem Berg aus, nicht die einzig "richtige" ist. Die Perspektive vom Berg meines Gegenübers ist für mein Gegenüber genau so real und ok, wie meine für mich. Wenn ich nun empathisch zuhöre, verlasse ich, bildlich gesprochen, meinen Berg (meine Meinungen, Ansichten und meine gesamte Weltsicht) und versuche, die Welt aus der Perspektive meines Gegenübers zu sehen. Methodisch versuche ich, die Gefühle und Bedürfnisse des Gegenübers wahrzunehmen und durch geschlossene Rückfragen zu spiegeln ("Bist du gerade frustriert?", "Ist dir in dieser Situation Wertschätzung wichtig?"). Ziel des empathischen Zuhörens ist es nicht, das Problem zu lösen, sondern dem Gegenüber Raum zu geben, sich selbst klarer zu werden. In schwierigen Gesprächen kann das Ziel auch Verbindung sein, damit ein Dialog auf Augenhöhe möglich wird. Marshall Rosenberg hat Empathie als eine der stärksten Kräfte in der zwischenmenschlichen Kommunikation beschrieben: Sie schafft Verbindung, baut Brücken und ermöglicht echte Verständigung.

Eine Person, von hinten fotografiert, schaut auf eine Berglandschaft. Sie steht selbst auch auf einem Berg.
Foto: neverlandphotos via pexels.com

Empathisches Zuhören – wann, warum und wie?

Empathisch zuzuhören ist freiwillig. Ich entscheide selbst, ob und wie lange ich in einer bestimmten Situation zuhören möchte, sprich: ob und wie viel Zeit ich auf dem Berg des Gegenübers verbringen möchte. Wichtig ist, dass mir bewusst ist, auf welchem "Berg" ich mich gerade befinde:

  • Bin ich selbst emotional aufgewühlt? Dann könnte Selbstempathie der erste Schritt sein.

  • Habe ich Kapazität, um wirklich präsent zu sein? Wenn nicht, kann ich das ehrlich mitteilen: „Ich merke, dass ich gerade nicht voll präsent sein kann. Können wir später sprechen?“

  • Hat mein Gegenüber überhaupt Interesse an Empathie? Manchmal möchte eine Person nur eine Information oder eine Lösung und keine empathische Begleitung.


Empathisches Zuhören kann in vielen Situationen hilfreich sein:

  • In Konflikten: Wenn eine Person aufgebracht ist, ist empathisches Zuhören die Reaktion erster Wahl, um zu deeskalieren und die Verbindung zu schaffen, die nötig ist, um im Anschluss eine tragfähige Lösung zu finden.

  • Im Arbeitsumfeld: Die Zusammenarbeit mit Kollegen, Mitarbeitenden, Kundinnen und Vorgesetzten, die sich gehört fühlen, ist motivierter und kooperativer.

  • In persönlichen Beziehungen: Partner, Kinder oder Freundinnen erleben Wertschätzung und fühlen sich ernst genommen, wenn sie Raum bekommen, sich auszudrücken.


Zwei Personen sitzen sich gegenüber. Von einer sieht man den Hinterkopf. Die andere hat Blickkontakt und schaut sie an, der Mund ist geschlossen.
Foto: Ketut Subyianto via pexels.com

Beispielformulierungen:

Beim empathischen Spiegeln von Gefühlen und Bedürfnissen ist mein oberstes Ziel nicht, das "richtige" Gefühl oder Bedürfnis anzubieten. Das Gegenüber profitiert auch, wenn ich ihm einen Vorschlag mache, der nicht passt, weil es dann darüber nachdenkt, welcher stattdessen passender wäre.


  • Gefühle wahrnehmen und benennen:

    • "Bist du enttäuscht?"

    • "Bist du frustriert?"

  • Bedürfnisse erkennen und anerkennen:

    • "Wünschst du dir mehr Sicherheit in der Situation?"

    • "Ist dir Zusammenarbeit gerade besonders wichtig?"


Grafik von zwei Strichmännchen, jedes auf seinem Berg. Auf einem scheint die Sonne, auf dem anderen regnet es. Oben die Formulierungen für "Empathie", unten die für "keine Empathie"
Empathie und keine Empathie, Darstellung von NBJ

Beispiele für (nicht) empathische Dialoge aus dem Alltag

  1. Beispiel aus der Partnerschaft

Situation, Alltagssprache: Dein Partner kommt nach der Arbeit nach Hause, wirft seine Tasche auf den Boden, seufzt und sagt nichts.

„Was ist denn jetzt schon wieder?! Das ist so typisch und unanständig!“

Mögliche Reaktion des Partners: „Na, danke auch für die herzliche Begrüssung! Nicht mal zu Hause kann man einfach mal sein, wie man ist!"

...


Gleiche Situation, Empathie: Dein Partner kommt nach der Arbeit nach Hause, wirft seine Tasche auf den Boden, seufzt und sagt nichts.

Empathisch nach GFK: „Oh! Bist du K.O.?“

Partner: "Ja, es war so ein Chaos im Büro, und niemand hat mir geholfen. Ich weiss nicht, wie ich das schaffen soll!“ Tiefes Ausatmen.

Empathische Rückfrage: „Du hättest dir also mehr Unterstützung gewünscht und brauchst gerade etwas Ruhe?"

Partner: „Ja... Ich glaube, ich muss mich erst mal hinsetzen.“ Setzt sich hin und atmet tief durch.

Empathisch mit Angebot: „Ich sehe, dass du wirklich fertig bist. Magst du erst mal was trinken, bevor du erzählst?“

...


💡Tipp: Falls mich das "Taschen an den Boden werfen" nervt, ist das berechtigt. Angesichts der aktuellen Frustration spreche ich das allerdings in einem anderen, ruhigen Moment an. Denn würde ich es jetzt ansprechen, sind die Chancen hoch, dass ich kein offenes Ohr und somit keine günstige Lösung für mein Anliegen bekomme.


  1. Beispiel aus der Arbeitswelt

Situation, Alltagssprache: Eine Kollegin schaut genervt auf den Bildschirm und murmelt: „Das ist doch alles Mist.“

„Ach komm, jetzt stell dich nicht so an. Mit sowas musst du einfach klarkommen.“

Die Kollegin schweigt und zieht sich zurück.


Gleiche Situation, Empathie: Eine Kollegin schaut genervt auf den Bildschirm und murmelt: „Das ist doch alles Mist.“

Empathische Rückfrage: „Bist du frustriert?“

Kollegin: "Ja, total. Wie soll ich das in der kurzen Zeit erledigen? Und wem bringt das eigentlich was?"

Empathische Rückfrage: "Hmm.. fehlt dir Klarheit bei dieser Aufgabe?"

Kollegin: „Ja! ich weiss gerade nicht, wie ich das lösen soll und ob überhaupt.“ Schulterentspannung.

... warten, Stille.

Kollegin: "Sag mal, wie würdest du das lösen?"

Angebot: "Ich könnte mir vorstellen ..."

...


  1. Beispiel aus dem Familienleben

Situation, Alltagssprache: Dein Kind kommt von der Schule, knallt die Türe zu und sagt: „Blöde Lehrer!“

„Jetzt beruhig dich erst mal! Man redet nicht so über Lehrer. Und knall die Türe nicht so. Wie oft habe ich das schon gesagt?!“

Kind: Verzieht das Gesicht, verdreht die Augen und geht in sein Zimmer, knallt die Zimmertür zu.


Gleiche Situation, Empathie: Dein Kind kommt von der Schule, knallt die Türe zu und sagt: „Blöde Lehrer!“

Empathische Rückfrage: „Bist du genervt?

Kind: "Das sind einfach alles gemeine Idioten!" (das heisst "Ja" in Alltagssprache)

Empathische Rückfrage: "Wünschst du dir mehr Fairness?“

Kind: „Ja, sie hören mir nie richtig zu!“

Empathische Rückfrage: „Ah. Du möchtest, dass sie dir mehr zuhören.“

Kind: „Ja, genau! Ich habe was gefragt und er hat mich nur angeglotzt und nicht geantwortet!“

Weiterer empathischer Austausch: „Das klingt wirklich blöd“

Kind: „Ja... weisst du, und dann...“

...


💡Tipp: Falls mich das "Türen knallen" nervt, ist das berechtigt. Angesichts der aktuellen Frustration spreche ich das allerdings in einem anderen, ruhigen Moment an. Denn würde ich es jetzt ansprechen, sind die Chancen hoch, dass ich kein offenes Ohr und somit keine günstige Lösung für mein Anliegen bekomme.


💡 Tipps:

  • Ich frage nicht «wie fühlst du dich?», sondern ich biete ein Gefühlswort an: «Bist du frustriert?».

  • Ich sage nie jemandem, wie er/ sie sich fühlt («Sie sind also frustriert.», bevor er/sie das nicht selbst gesagt hat.

  • Bei stark emotional geladenen Situationen gebe ich mir zuerst Selbstempathie, bevor ich auf den Berg des Gegenübers gehe



Eine Person hat die Augen geschlossen und den Kopf gehoben. Im Hintergrund Pflanzen, grün
Foto: Alex P via pexels.com

Selbstempathie:

Der erste Schritt


Empathie für andere beginnt mit Empathie für mich selbst. Wenn wir unsere eigenen Gefühle und Bedürfnisse nicht wahrnehmen, fällt es uns schwer, wirklich präsent für andere zu sein. Ein erster Schritt kann sein, sich regelmässig zu fragen: Wie geht es mir gerade? und Was brauche ich jetzt? Selbstempathie gibt uns die innere Ruhe, um anderen mit Offenheit und Klarheit zu begegnen. Wenn die Worte oder Taten meines Gegenübers mich stark provozieren, lohnt es sich, erstmal nicht zu reagieren, sondern mir selbst Empathie zu geben. Das kann nur ein paar Atemzüge dauern, oder auch mehrere Stunden, Wochen, Monate dauern und kommt ganz auf die Situation an.


Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.

Viktor Frankl


Und wie kommt man in diesen Raum? Mit Selbstempathie! Marshall Rosenberg erläutert dies sehr anschaulich in diesem Video.


Fazit

Empathie ist das Herzstück der Gewaltfreien Kommunikation. Sie hilft uns, Missverständnisse zu vermeiden, Beziehungen zu vertiefen und ein Umfeld der Wertschätzung zu schaffen. Dabei bleibt sie immer freiwillig – niemand muss empathisch zuhören. Wenn wir sie jedoch bewusst einsetzen, kann sie eine der kraftvollsten Formen der Verbindung sein.

 
 
 

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Nadia Biondini Jörg           Coaching und Seminare           3084 Wabern bei Bern
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