Konflikte entstehen oft dann, wenn wir Beobachtung und Bewertung miteinander vermischen. Marshall Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation (GFK), hat diesen Punkt häufig mit einem Zitat des indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti verdeutlicht:
Beobachten ohne zu bewerten ist die höchste Form menschlicher Intelligenz.
Wovon gehen wir aus?
Eine „saubere Beobachtung“ kann die Basis für eine konstruktive Diskussion sein, auch wenn die Meinungen auseinandergehen:
Beispiel: „Als ich dich gestern im Flur getroffen habe, bist du schweigend an mir vorbeigelaufen.“
Eine als Fakt getarnte Bewertung führt dagegen oft zu Widerstand:
Beispiel: „Du gehst mir aus dem Weg.“
Die Unterscheidung
Beobachtung: Eine Beobachtung beschreibt präzise, was du gesehen oder gehört hast. Sie enthält konkrete Zahlen, Zitate oder Handlungen. Es ist, als würdest du ein Foto beschreiben oder ein Drehbuch vorlesen.
Beispiel: „Wir haben an diesem Kurstag 3 von 7 Kapiteln besprochen.“
Bewertung: Eine Bewertung enthält Interpretationen, Vorwürfe oder Meinungen. Sie verallgemeinert und stellt subjektive Urteile dar.
Beispiel: „Dieser Kurstag hatte wenig Inhalt.“
Beispiele zur Verdeutlichung
Bewertung: „Die Gruppe war unmotiviert.“
Beobachtung: „Jemand hat mehrmals gegähnt und 7 von 9 Personen haben die Aufgaben nicht gelöst.“
Bewertung: „Deine Reaktion war sehr unfreundlich.“
Beobachtung: „Du hast gesagt: 'Diese Übung ist mir zu blöd' und dabei die Augen verdreht.“
Bewertung: „Das habt ihr super gemacht.“
Beobachtung: „Ihr habt alle Aufträge in 15 Minuten gemäß meinen Instruktionen erledigt.“
Bewertung: „Sie ist eine kompetente Mitarbeiterin.“
Beobachtung: „Sie hat alle meine Fragen beantwortet und sich an den Tagesplan gehalten.“
Zum Üben: Beobachtung oder Bewertung?
Überlege, ob die folgenden Sätze Beobachtungen oder Bewertungen sind. Falls es eine Bewertung ist, wie könnte der Satz umformuliert werden?
„Dieser Raum ist gemütlich.“
„Er trägt eine karierte Hose mit Hosenträgern und dazu einen gestreiften Pulli.“
„Der Kurs kostet 500 CHF weniger als jener, den ich letztes Jahr besucht habe.“
„Ich habe beobachtet, dass du dich gelangweilt hast.“
Warum ist das wichtig?
Das klare Unterscheiden zwischen Beobachten und Bewerten verhindert Missverständnisse und erleichtert den Dialog. Du schaffst Raum für Verständnis, statt Widerstand zu erzeugen.
💡 Tipp: Übe bewusst, Bewertungen zu erkennen und in präzise Beobachtungen umzuwandeln. So kannst du Konflikte entschärfen und die Verbindung zu deinem Gegenüber stärken.
Hier findest du ein Video von Marshall Rosenberg. Er berichtet von einer Konfliktlösung durch Bedürfnisklärung:
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